Francis Bacon – Mit Wissen die Natur beherrschen

Francis Bacon propagierte die Neubegründung der Wissenschaft und ihr Dienstbarmachen im Namen der Wohlfahrt und des Fortschritts.

„Wer die Natur beherrschen will, muss zuerst lernen, ihr zu gehorchen.“ Dieser Satz mag bei manch einem Cineasten hängen geblieben sein, der den Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“ angeschaut hat. Ausgesprochen wird er von dem Mönchen William von Baskerville, der dem Novizen Adson dadurch erlaubt, sich zu entfernen, um einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen. Doch ist dieser paradox anmutende Satz nicht nur ein gewandtes Wortspiel, sondern hat tatsächlich einen anspruchsvollen philosophischen Bezug. Er bringt einen wesentlichen Aspekt der Lehre des englischen Philosophen Francis Bacon (* 1561 – † 1626) auf den Punkt.

Philosoph und Politiker in einer Person

Francis Bacon, ein begnadeter Redner und vielgerühtmer Schriftsteller seiner Zeit – manche halten Shakespeare für sein Pseudonym –, wollte also auf der einen Seite die Natur beherrschen. Als ein von Kindesbeinen an gebildeter Mensch, da aus einer Politikerfamilien stammend, sah er darin aber keinen Selbstzweck, sondern der Mensch sollte sich die Natur zum Zwecke des Gemeinwohls zum Untertan machen. Auf der anderen Seite sah Bacon es als notwendig an, die Natur in aller Demut wissenschaftlich zu studieren und insofern ihre Gesetze anzuerkennen, die man dann nicht nur nutzen, sondern deren Schranken man auch zu akzeptieren hat. Darunter verstand er auch die Erforschung der gesellschaftlichen Mechanismen. Seine Ideen trugen also soziologisches Gedankengut eh die Soziologie begründet war. In die Geschichtsbücher eingegangen ist sein Ausspruch „Wissen ist Macht“. Doch müsste es auch zutreffend heißen: „Macht ist Wegbereiter des Wissens“. Denn um seine Vision von Fortschritt und Wohlstand zu verwirklichen, sah Francis Bacon es als notwendig an, den Wissenschaftsbetrieb politisch zu fördern und aus seinem Schlummerschlaf zu holen.

Vonnöten war seiner Meinung nach die Einrichtung von Institutionen, welche den Wissenschaftsbetrieb von der Forschung bis zur praktischen Anwendung organisieren und koordinieren sollten. Zumindest ist dies mitunter ein Grund, weshalb Bacon eine steile politische Karriere einschlug, die ihm mit 57 Jahren sogar eines der höchsten Staatsämter Englands einbrachte, das des Lordkanzlers. Für seine Initiativen war die Zeit aber noch nicht reif genug und so versandeten seine praktischen Bemühungen, zumal er nach einem Bestechungsprozess entmachtet wurde. So konnte Bacon sich auf den anderen Teil seines Plans konzentrieren. Das Wachrütteln der Wissenschaft musste in seinen Augen vor allem auch bei ihrem eigenen Selbstverständnis und ihren Methoden ansetzen und in seiner Philosophie sah er den Schlüssel hierzu.

Die große Erneuerung der Wissenschaft

In der zeitgenössischen Philosophie sah Bacon trotz der Reformbestrebungen durch die zurückliegende Renaissance, welche auch das Denken ergriff, keinen großen Nutzen. Deren Auffassung von der Wissenschaft war seiner Ansicht nach geprägt von der Scholastik, die nur das eine Ziel verfolge, die vorherrschenden theologischen Lehren zu verfestigen und zu verteidigen. Jeglicher Fortschritt würde nur anerkannt, wenn er die Lehre stütze und sei mitnichten ein Fortschritt. Ansonsten verfange sich die Scholastik in unfruchtbaren Disputen und gelange nicht über den Wissensstand des Heiden Aristoteles hinaus, dessen Lehren sie vereinnahmt hatte. Auch lehnte Francis Bacon die scholastischen Klassifikationspraxis ab, also das Katalogisieren des in der Natur vorgefundenen, ohne die Zusammenhänge zu untersuchen, dessen sich nur die Alchimisten annahmen.

Um die Wissenschaft auf den rechten Weg zu bringen, bedurfte es folglich ihrer Erneuerung. Dies wollte Bacon mit dem gigantischen Werk „Instauratio Magna“ – „Die Große Erneuerung“ angehen, das 1620 als Fragment veröffentlicht wurde. Darin versuchte er zum einen die Bestandsaufnahme des bestehenden Wissens, dessen Systematisierung und das Aufzeigen der noch zu erforschenden Lücken. Zu ihrer Schließung versuchte er den Entwurf einer neuen Methode, die kurzum als eine anspruchsvolle Induktion, also die Formulierung von Gesetzmäßigkeiten aus einer hinreichend großen Anzahl von Einzelbeobachtungen, bezeichnet werden kann.

Abschied von falschen „Idolen“

Mit der Erneuerung ging eine Anprangerung der bisherigen Denkweisen einher, die die wahre Erkenntnis erschweren würden. Im Kapitel „Novum Organum“ seines freilich unvollendet gebliebenen Werks zeigte er Trugbilder auf, denen die Erkenntnissuchenden aufsäßen. Bacon unterscheidet deren vier, die er Idole, also eine Art trügerische Leitbilder nennt.

Utopie des neuen Atlantis und Realität gewordener Abglanz

Obwohl oder gerade weil Bacons politische Bemühungen zur Förderung der Forschung scheiterten, ließ er sich zu einer weitgehenden utopischen Idee hinreißen. In dem unvollendeten und 1627 posthum veröffentlichten Roman „NOVA ATLANTIS “, der die literarische Gattung der Utopie begründete, malte er sein Bild von einem Staat, der von Gelehrten geführt wird. In Anknüpfung an Platons Atlantis handelt es sich bei Nova Atlantis um eine Insel, auf welche die Bewohner des untergegangenen Atlantis geflohen seien. Den Gelehrten obliegt auch die Erforschung der Natur an der Forschungsstätte „Salomons Haus", die als Bacons Vorstellung von einer idealen Akademie gelten kann.

Manches von Bacons Visionen blieb keine Utopie. Wenige Jahrzehnte nach seinem Tod wurde 1662 die Royal Society, die britische Akademie der Wissenschaften gegründet, wobei Bacon als geistiger Gründervater genannt wurde. Auch auf dem Kontinent wusste man ihn zu würdigen. Er galt den französischen Aufklärern als leuchtendes Vorbild bei der Erstellung ihres Universallexikons, das sie auch ihm widmeten. Vor allem weckte Francis Bacon den Forschergeist und änderte die Sicht auf die Natur, indem er sie dem Menschen zum Untertan machen wollte. Somit legte er das geistige Fundament des technologischen Fortschritts, der in der industriellen Revolution mit all ihren Vorteilen und Nachteilen münden sollte.

Autor: Dipl.-Bw. (FH) Michael Zabawa
Erschienen: Oktober 2011