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Gerechtigkeit

Für die Ethik, die Politik und die Philosophie sowie für viele Religionen ist die Gerechtigkeit ein nicht weiter hinterfragbares Leitmotiv. Als ein solches ist sie schwerlich in eine kurze, präzise Definition zu fassen und noch schwerer mit konkreten und zugleich allgemeingültigen Inhalten zu füllen. Lediglich das Prinzip der Gleichheit, wonach Gleiches mit Gleichem und Ungleiches mit Ungleichem abzugelten ist, ist als wesentliche Eigenschaft der Gerechtigkeit unumstritten. Doch damit wären keine Inhalte gewonnen, aber immerhin bietet das Gleichheitsprinzip eine Anleitung hierfür.

Das Praktizieren von Gerechtigkeit beruht, wie sich aus dem eben gesagten ergibt, auf einem Akt der Vergleichung und der Gleichsetzung; sobald die Gleichsetzung verwirklicht ist, herrscht auch Gerechtigkeit. Doch wie bemißt man die Gleichheit bzw. Ungleichheit? Darauf gab erstmals Aristoteles im 5. Buch der „Nikomachischen Ethik“ eine bis heute maßgebende Antwort: Darin unterscheidet er zwei Formen der Gerechtigkeit mit den dazugehörigen Gleichheitsprinzipien: die ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva).

Die ausgleichende Gerechtigkeit bedeutet die numerische Gleichheit von Leistung und Gegenleistung unter sich Ebenbürtigen, kurzum der Tausch oder auch die Vergeltung im Verhältnis 1:1. Daraus abgeleitet sind die Tausch- (iustitia commutativa), Wiedergutmachungs- (iustitia restitutiva) und die Strafgerechtigkeit (iustitia vindicativa). Die austeilende Gerechtigkeit hingegen meint eine relative Gleichheit durch Vergleichung nach Maßgabe der „Würdigkeit“, wie es Aristoteles ausdrückt. Sie ist immer dann zu bestimmen wenn Rechte und Pflichten auszuteilen sind. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Erwachsenen werden große Essensportionen zugeteilt, Kindern kleine. Hinter der Würdigkeit stecken „Bemessungsgrundlagen“ wie Fähigkeit, Bedürftigkeit, Schuld u.v.m.

Mit diesen beiden Gerechtigkeitsformen sind bereits Zielkonflikte vorprogrammiert. Beispielsweise müsste nach der ausgleichenden Gerechtigkeit Mord immer mit Todesstrafe vergolten werden; nach der austeilenden Gerechtigkeit wird eventuell der Gesetzgeber nach dem Alter des Mörders unterscheiden und dieser entsprechend, wenn er z.B. unter 18 ist, „nur“ mit lebenslänglichem Freiheitsentzug bestraft. Damit wird aber auch deutlich, daß die austeilende Gerechtigkeit mit Macht und Autorität verbunden ist, welche die besagte Würdigkeit bestimmt. Desweiteren ermöglicht sie aber auch erst die ausgleichende Gerechtigkeit, indem sie Rechte und Pflichten wie Geschäfts- und Rechtsfähigkeit sowie die Strafmündigkeit zunächst zuteilt, innerhalb welcher dann der Ausgleich gesucht wird.

Thomas von Aquin hat später die Pflichten aus der austeilenden Gerechtigkeit des Aristoteles herausgelöst und in seiner „Summe der Theologie“ diese neben die anderen Arten der Gerechtigkeit als Gesetzesgerechtigkeit (iustitia legalis) gestellt. Sie umfaßt das Verhältnis des Einzelnen zum sozialen Ganzen, legt also seine gesellschaftlichen Pflichten fest, z.B.: Wahlpflicht, Gerichtspflicht, „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14 Abs. 2 GG).

Zusammen mit der austeilenden Gerechtigkeit bildet die Gesetzesgerechtigkeit nunmehr die  soziale Gerechtigkeit. Sie trachtet gemäß der altehrwürdigen Formel „jedem das Seine“ nach dem „höchsten Gut“ für jeden Einzelnen und die Gemeinschaft. Dieses Gut gilt es durch Zuteilung von einzelnen Gütern und die Verpflichtung auf die gemeinsamen Güter hin zu erreichen. Doch welches ist das höchste Gut? Für den Menschen wird es sicherlich in seiner Natur liegen, das Glück oder anders ausgedrückt das Gemeinwohl als höchstes Gut aufzufassen, unter welches sich alle weiteren erstrebenswerten Güter, wie Gesundheit, Liebe, Freiheit usw., subsummieren lassen. Versucht man aber das Glück oder Gemeinwohl noch näher zu bestimmen, wird man zwangsläufig mit dem Konkretisierungsdilemma konfrontiert: So widersprechen sich beispielsweise die Konzepte der politischen Parteien spätestens auf Detailebene, also je weiter man sie konkretisiert, obwohl sie doch alle das Gemeinwohl anstreben. Nicht anders verhält es sich mit Verteilungsprinzipien wie Bedürfnisprinzip, Leistungsprinzip, Tragfähigkeitsprinzip, usw., mittels deren jedem das Seinige gegeben werden soll.


Autor: Dipl. BW (FH) Michael Zabawa
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