Die
Prozesskostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, das vor allem im
gemeinkostenlastigen indirekten Leistungsbereich von Unternehmen
(Verwaltung, Marketing, Vertrieb, Forschung und Entwicklung, usw.)
insbesondere zum Zwecke des Gemeinkostenmanagements und im Rahmen der
Produktkalkulation eingesetzt wird. Im Gegensatz zum direkten
Leistungsbereich sind Prozesse anstelle von Kostenstellen die
Kostensammler, welche sich direkt oder über
zwischengeschaltete Kostenstellen auf Kostenträger verrechnen.
In einer prozessgesteuerten Fertigung bietet sich der Einsatz der
Prozesskostenrechnung gleichwohl ebenfalls an.
I.
Gründe
für die Entstehung der Prozesskostenrechnung
Auslöser für die Entwicklung der
Prozesskostenrechnung war hauptsächlich die enorme Ausweitung
des indirekten Leistungsbereichs u. a. aufgrund gestiegenen
Konkurrenzdrucks, kürzerer Produktlebenszyklen und komplexerer
Produkte. Solange die eigentliche Fertigung die Höhe der
Gesamtkosten dominierte, konnten bei der Produktkalkulation die
vorherrschenden direkten Kosten unmittelbar den Produkten zugeschlagen
und die wenigen Gemeinkosten des indirekten Leistungsbereichs per
Zuschlagskalkulation hinzuaddiert werden. Dessen Ausweitung
führte bisweilen zu extrem hohen Zuschlagssätzen und
einer allgemeinen Intransparenz in der Kostenrechnung. Um die
Gemeinkosten dennoch wirtschaftlich beurteilen zu können und
eine verursachungsgerechtere Kalkulation durchzuführen, wurde
die Prozesskostenrechnung entwickelt.
II. Technik
der
Prozesskostenrechnung
Das wesentliche Merkmal der Prozesskostenrechnung liegt darin, dass die
Verteilung von Gemeinkosten nicht unmittelbar auf Produkte oder
vorgeschaltete Kostenstellen, sondern zunächst auf Prozesse
erfolgt. Bei der Herstellung eines Produktes werden diese internen
Prozesse in unterschiedlicher Häufigkeit beansprucht, so dass
mittels dieser Prozessmengen die auf den Prozessen abgegrenzten
Gemeinkosten (Prozesskosten) auf den Kostenträger verrechnet
werden können. Voraussetzung für die Verteilung der
Kosten auf die Prozesse ist eine tiefschichtige Kostenartenrechnung. Je
unpräziser sie ist, desto schwieriger und indirekter wird die
Zuordnung. Sie muss dann auf Basis von Schätzungen und groben
Verteilungs- schlüssel vorgenommen werden. Im Wesentlichen
treten dieselben Schwierigkeiten wie bei der Kostenstellenrechnung auf,
da die Prozesse als Kostensammelobjekte wie Kostenstellen behandelt
werden. Kostenstellen werden jedoch nicht durch Prozesse ersetzt, sie
treten aber in den Hintergrund. Im Konzept von Horváth
werden die Gemeinkosten zwar zunächst auf den Kostenstellen
gesammelt und anschließend auf die Prozesse umgelegt, die
Verteilung kann aber auch prinzipiell direkt aus der
Kostenartenrechnung heraus erfolgen. Während die Kostenstelle
den Ort der Kostenentstehung im Unternehmen repräsentiert, ist
ein Prozess losgelöst von der lokalen Sichtweise.
Ein Prozess
wird definiert als eine Zusammenfassung betrieblicher
Aktivitäten – auch Teilprozesse genannt –,
die ihrerseits wiederum aus mehreren Teilprozessen bestehen
können. Gemeinsames Merkmal dieser Aktivitäten ist,
dass sie allesamt dieselbe Kostenursache haben. Diese
begründet eine Aggregation und grenzt die Hauptprozesse
voneinander ab. Beispielsweise lässt sich ein Produktmerkmal,
eine -Variante oder -Komponente, welche die Leistung eines Prozesses
erfordern, als Kostenursache anführen. Aber auch die Anzahl
von Varianten ist kostenbestimmend und es mag sinnvoll erscheinen,
diese Abhängigkeit dementsprechend in der
Prozesskostenrechnung abzubilden.
Ist eine Kostenursache identifiziert, muss für den
dazugehörigen Prozess eine Bezugsgröße
bestimmt werden, von welcher die Höhe der Kosten direkt
abhängt. Deshalb wird diese
Maßgröße auch Cost Driver oder
Kostentreiber genannt. Falls eine solche Bezugsgröße
für einen Prozess nicht ermittelbar ist, werden solange
Teilprozesse gebildet, bis passende Cost Driver für diese
gefunden werden können. Beispielhaft hierfür ist die
Anzahl der Bestellungen als Maßgröße
für den Prozess Ersatzteilebestellung, der Teil eines
Reparatur-(Haupt-) Prozesses sein kann. Ein weiterer Teilprozess kann
z.B. die Prüfung des reparierten Gerätes sein. Mit
der Kostenbezugsgröße, kann eine funktionale
Verknüpfung zwischen Prozesskosten und
Kostenträgerkosten hergestellt werden. Dies gilt nicht
für ursachenunabhängige Prozesse, welche keine
passenden Cost Driver aufweisen.
Ursachenabhängige Prozesse können hingegen in die
Kostenträgerkalkulation einbezogen werden. Um diese
durchführen zu können, muß
zunächst die Abhängigkeit der Prozesskosten von den
Kostentreibern durch die Bildung eines Prozesskostensatzes
ausgedrückt werden, „indem die abgegrenzten
Prozesskosten [einer Abrechnungsperiode] durch die zugehörige
Prozessbezugsgröße [Menge eines Kostentreibers]
dividiert werden“. Nun stellt sich die Frage, wieviele
Einheiten der Kostentreiber für eine
Kostenträgereinheit benötigt werden. Diese
Größe, auch Prozesskoeffizient genannt, wird, sofern
die Frage beantwortet ist, mit dem Prozesskostensatz multipliziert.
Somit sind die Prozesskosten auf den Kostenträger verrechnet.
Anstelle der Kostentreibermenge kann alternativ die Prozessmenge zur
Ermittlung des Prozesskostensatzes herangezogen werden: Die auf einen
Prozess in einer Abrechnungsperiode verteilten Gemeinkosten werden auf
einen Prozessdurchlauf bezogen. Die Anzahl der
Prozessdurchläufe für eine
Kostenträgereinheit stellt nun den Prozesskoeffizienten dar.
Diese Verrechnungstechnik ist notwendig, wenn bei Hauptprozessen die
Kostentreiber auf untergeordneten Teilprozessen vorzufinden sind und
eine Bildung eines Prozesskostensatzes auf Hauptprozessebene
über die Kostentreiber nicht möglich ist.
Beim Vergleich der beiden Kalkulationsvarianten, lässt sich
feststellen, dass wenn ein Prozessdurchlauf genau an eine Einheit
Kostentreiber gekoppelt ist, Prozessmenge und Kostentreibermenge
identisch sind. Für die
einflussgrößenunabhängigen Prozesse kann
keine Einbeziehung der dort gesammelten Gemeinkosten in eines der
beiden Kalkulationsschemen vorgenommen werden. Hier greifen wieder die
traditionellen Kostenrechnungssysteme, wie z. B. die
herkömmliche Kostenträgerzeitrechnung. Um die
gesamten Stückkosten zu ermitteln, werden
schließlich die angefallenen Einzelkosten mit den
Prozesskosten addiert. Das Schaubild auf der nächsten Seite
veranschaulicht in Grundzügen die Vorgehensweise einer
Prozesskostenrechnung.
III. Abgrenzung von
Ansätzen
1. Activity-based Costing
Bei dem Konzept
des Activity-based costing handelt es sich um die erste systematisch
vor- genommene Umsetzung der Idee der aktivitätsorientierten
Kostenrechnung. Sie unterscheidet nicht zwischen direktem und
indirektem Leistungsbereich sowie zwischen Einzel- und Gemeinkosten.
Übereinstimmend mit anderen Ansätzen der
Prozesskostenrechnung, verfolgt Activity-based Costing das Ziel, die
Ressourcenbeanspruchung eines Prozesses durch eine
Bezugsgröße, den cost driver, zu bestimmen. Die
Methodik sieht vor, den betrachteten Prozess mit allen zu seiner
Durchführung benötigten Kosten eines
Abrechnungszeitraums zu belasten.
Der Hauptunterschied zu anderen Konzepten ist die Vorgehensweise bei
der Bildung der Prozesse. Ihrem Inhalt nach stellen sie zwar wie sonst
auch ein System von Aktivitäten dar, sie werden aber in eine
vorgegebene vierstufige Hierarchie einbezogen, welche ein bestimmtes
Kalkulationsschema vorgibt. Auf der ersten Ebene werden
stückbezogene Prozesse erfasst. Sie werden über die
einer Produkteinheit direkt zurechenbaren
Kalkulationsgrößen, wie Fertigungszeiten und
Materialmengen, auf den Kostenträger verrechnet. Die zweite
Ebene vereinigt losgrößenbezogene Prozesse, welche
beispielsweise Rüstkosten und bestellfixe Kosten aufnehmen.
Geeignete Kostentreiber sind hierfür die Anzahl der
Fertigungslose oder die Anzahl der Bestellungen. Die dritte Ebene ist
für produktbezogene Prozesse gedacht, um die mit der
Veränderung oder Ausprägung der Produkteigenschaften
verbundenen Kosten zu erfassen. Diese Kosten entstehen zum Beispiel bei
Konstruktionsänderungen oder Verfahrensanpassungen und weisen
Kostentreiber wie die Anzahl von Varianten oder die Anzahl von vom
Standardprodukt abweichenden Produkten auf. Für die
verbleibenden Kosten, die reine Gemeinkosten sind, da sie die
Betriebsbereitschaft sichern sollen, ist die vierte Ebene mit den
entsprechenden Prozessen vorgesehen. Beispielhaft hierfür sind
Personalbetreuungskosten oder Versicherungskosten. Aufgrund der hier
fehlenden Cost Driver werden bei der Kalkulation wertorientierte
Hilfsgrößen herangezogen. Dies kann zum Beispiel ein
Prozentsatz sein, der den Anteil des vom Kostenträger in
Anspruch genommenen Prozesskostenvolumens ausdrückt. Eine
mengenmäßige Verrechnung findet dagegen auf den
ersten drei Ebenen statt, da Kostentreiber bekannt sind.
In ihrer Beurteilung des Activity-based Costing vermissen Schweitzer/Küpper insbesondere die Bildung der Prozesse nach dem Gesichtspunkt einer gemeinsamen Kostenursache, wie dies bei der allgemeinen Vorgehensweise gefordert wird. Damit stellen sie die verursachungs-gemäße Verrechnung der Gemeinkosten auf den Kostenträger in Frage. Dieser Effekt werde durch die verwendeten Vollkosten verstärkt.
2. Die
Prozeßkostenrechnung nach Horváth u.a.
Die Prozesskostenrechnung von Horváth u.a. ist eine an die
in der europäischen Praxis vorhandene Analysetiefe angepasste
aktivitätsbasierte Kostenrechnung. Sie befasst sich im
Gegensatz zum Activity-Based costing nur mit dem indirekten
Leistungsbereich. Die Vorgehensweise sieht vor, auf der
Kostenstellenebene Tätigkeiten zu bestimmen, die in der
Kostenstelle zu Aktivitäten zusammengefasst werden. Aus diesen
Teilprozessen können in einem weiteren Schritt
kostenstellenübergreifende Hauptprozesse gebildet werden.
Voraussetzung für die Zuordnung zu einer Aktivität
oder einem Hauptprozess ist logische Zusammengehörigkeit der
dort versammelten Tätigkeiten bzw. der Aktivitäten.
Diese drückt sich in einer gemeinsamen Zielsetzung, oder
schlicht in einer gemeinsamen finalen Kostenursache aus. Das kann dazu
führen, dass ein Teilprozess mehreren Hauptprozessen
zugeordnet werden kann, wenn er für mehrere Kostenursachen
gleichzeitig seine Kapazitäten zur Verfügung stellt.
Bei der Prozessanalyse sind die Maßgrößen der Gemeinkosten zu bestimmen, die sich proportional zu den von ihnen verursachten Kostenvolumen und der daraus abgeleiteten Leistung verhalten. Da es sich hierbei um die Menge der cost driver handelt, sprechen Horváth u.a. von „leistungsmengeninduzierten“ Prozessen (lmi). Sind keine Kostentreiber zu ermitteln, werden die entsprechenden Prozesse als „leistungsmengenneutral“ (lmn) bezeichnet. Die Ableitung von Prozesskostensätzen geschieht auf Basis von Planzahlen und Planprozessmengen. Die auf einen Prozessdurchlauf bezogenen Prozesskosten werden für lmn-Prozesse Umlagesatz und für lmi-Prozesse weiterhin Prozesskostensatz bezeichnet.
Die Abrechnung von unter- auf übergeordnete Prozessebenen erfolgt allerdings nur mit den Prozesskostensätzen, wenn die in Anspruch genommenen Prozessmengen bekannt sind. Darüber hinaus sind Prozesskoeffizienten zu bestimmen, die eine Zuordnung der Prozesskosten auf Hauptprozessebene zum Produkt ermöglichen. Die Prozesskoeffizienten beziehen sich auch auf die Prozessmenge und nicht auf die Menge der cost driver. Die Vernachlässigung der Umlagesätze führt zu einer alleinigen Verrechnung der Gemeinkosten der lmi-Prozesse auf den Kostenträger.
Sofern
tatsächlich bei der Wahl der
Maßgrößen auf den untersten Prozessebenen
cost driver gefunden werden, mit denen eine lineare (proportionale)
Kostenfunktion zur Bestimmung des Prozesskostenvolumens gebildet werden
kann, muss davon ausgegangen werden, dass über die
lmi-Prozesse variable Kostenbestandteile verrechnet werden. Bei den
lmn-Prozessen handelt es sich meistens um die Aufrechterhaltung der
Betriebsbereitschaft, d.h. sie finden i. d. R. generell statt und
führen folglich zu Fixkosten. Da nur die variablen Kosten der
lmi-Prozesse auf die Kostenträger weiterverrechnet werden, ist
die Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. demnach kein
Vollkostenrechnungssystem
Autor: Dipl.-Bw. (FH)
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