I.
Begriff des Heilfastens
Heilfasten ist
eine spezielle Form des zeitlich begrenzten Fastens, welche durch die
freiwillige, teilweise
oder gänzliche Nahrungsreduktion gesundheitliche Zwecke
verfolgt. Im Gegensatz zum religiös motivierten Fasten, wird
der Schwerpunkt auf die körperliche Genesung oder
Gesunderhaltung gelegt, während die seelischen bzw.
spirituellen Zwecke in den Hintergrund treten. Ursprünglich
durch Dr. O. Buchinger (1878–1966) für seine Form
des Fastens
geprägt, dient Heilfasten als Oberbegriff für
Fastenkuren.
II.
Durchführung
Je nach Ansatz
wird das Heilfasten unterschiedlich
durchgeführt. Ob Saftfasten, eiweiß- modifiziertes
Fasten oder totales Fasten, alle Ansätze
können dennoch grob
in drei Phasen eingeteilt werden:
Während
der Fastenvorbereitung sollen
Körper und Geist auf die
Nahrungskarenz eingestimmt werden. So wird mit dem Zwecke, die
Verdauung
anzuregen, eine Darmreinigung durchgeführt. Zur Abmilderung
der körperlichen Symptome bei einem abrupten Nahrungsentzug
werden ggf. ein oder mehrere Entlastungstage
mit schrittweise
verminderten Kaloriengaben vorangeschaltet. In der Phase der Nahrungskarenz
wird
die Essensaufnahme auf die im jew. Ansatz
festgelegte Art und Menge beschränkt oder gänzlich
eingestellt. Weitere Darmreinigungen oder ergänzende
therapeutische Maßnahmen wie eine Bewegungstherapie (s.
Fastenwandern) sind üblich. Um den an die
Nüchternheit angepassten Magen und Stoffwechsel wieder an die
normalisierte Essensaufnahme zu gewöhnen, wird in der Aufbauphase
das
Fasten mit leichter Kost in geringen Mengen beendet
(Fastenbrechen) und die
Essensaufnahme schrittweise gesteigert.
III. Angenommener und tatsächlicher Nutzen
des Heilfastens
1) Körperlicher
Nutzen
a) Entgiftung und "Entschlackung"
α)
Wirkungstheorie
Der wichtigste
Nutzen beim Heilfasten wird in der Entgiftung
und „Entschlackung"
des Körpers gesehen, wodurch
den Zivilisationskranheiten (wie Bluthochdruck,
gestörter
Fettstoffwechsel, Erkrankungen des Bewegungsapparates
etc.) vorgebeugt werden soll, oder bereits bestehende
Erkrankungen geheilt oder gelindert werden sollen. Dies
geschehe gemäß den Fastenanhängern dadurch,
dass beim Nahrungsverzicht die in Fettdepots gespeicherten oder
anderswo
im Körper (z.B. in den Gelenken) befindlichen Gifte
und „Schlacken" anstelle der üblichen
Nahrung in den
Stoffwechselprozess kämen und letztendlich vom Körper
abgegeben würden. Dabei trete das abgebaute Fett als
Energielieferant auf, während die fehlende Nahrung die
Entgiftungs- und Entschlackungsvorgänge im Körper
nicht behindern würde. Letzteres werde durch eine
Darmreinigung und hohe Flüssigkeitszufuhr unterstützt.
β)
Medizinische Zweifel
Insbesondere
der Begriff der Schlacken erschwert
eine wissenschaftliche Überprüfung, da er medizinisch
nicht definiert ist.
Für Fastenanhänger stellen Schlacken vom
Körper nicht ausgeschiedene „Abfallprodukte" des
Stoffwechsels dar. Im Allgemeinen wird von der evidenzbasierten Medizin
unterstellt, dass ein gesunder menschlicher Organismus diese sog.
Stoffwechselendprodukte über Harn, Stuhl, Atmung und Haut
ausscheidet und mithin keine überflüssigen Reste, die
„Schlacken“ genannt werden könnten, im
Körper verbleiben. Ebenso wird eine Vergiftung ausgeschlossen,
solange die zugeführte Dosis giftiger Substanzen die
körpereigene Fähigkeit zur Entgiftung, insbesondere
durch Niere und Leber, nicht übersteigt, oder keine
Krankheiten wie Leberzirrhose oder Niereninsuffizienz vorliegen.
Auch ist ein wirkungsvoller Abbau der Fettzellen in Frage zu stellen,
da dieser erst nach einer Woche nennenswert nachzuweisen ist; bis dahin
und auch noch etwa ein bis zwei weitere Woche lang wird vornehmlich
auch Eiweiß aus der Muskulatur als Energielieferant genutzt.
γ)
Eingeschränkte Empfehlbarkeit
Die eben
genannten medizinischen Einwände stellen zum Teil jedoch
Vereinfachungen dar. So ist eine fortschreitende Vergiftung bsplw. mit
Quecksilber aus Amalgam-Zahnfüllungen auch bei gesunden
Menschen nicht prinzipiell auszuschließen. Außerdem
könnte sinngemäß eine
„Verschlackung" angenommen werden, falls Fettablagerungen, in
denen sich leicht Dioxine ansammeln, oder unnormal lange im
Körper verbleibende Stoffwechselendprodukte mit
„Schlacken“ in eins gesetzt würden.
Letzteres ist insbes. bei einer Überbelastung des
Stoffwechsels und der Verdauung durch
übermäßige Essensaufnahme der Fall.
Namentlich haben sich Fastenärzte auf die stofflich
nachweisbaren Zucker-Eiweiß-Komplexe eingeschossen. Inwieweit
die angesammelten oder angestauten Gifte, Fette und Stoffwechsel-
endprodukte gesundheitsschädlich sind, ist nicht
gänzlich geklärt. Als mögliche Auswirkungen
werden u. a. die Übersäuerung des Blutes (Azidose)
samt der eventuellen Folgen diskutiert, wie auch die hormonelle
Dysregulation durch vermehrte Hormonbildung in den Fettzellen oder die
Beschädigung der Darmschleimhaut, wodurch
möglicherweise das Krebsrisiko ansteigt. Noch unklarer ist, ob
die genannten Stoffe durch das Fasten gezielt und über das
Maß eines optimal ernährten Organismus hinaus
abgebaut werden können. Ungeachtet der problematischen
Erklärungsansätze, konnten in medizinischen Studien
jedoch mehrfach die positiven Auswirkungen des Heilfastens u. a. auf
Blutdruck, Rheuma etc. nachgewiesen werden. Allerdings sind diese
Wirkungen durch eine Diätumstellung dauerhafter, u. a. wegen
dem Jojo-Effekt, und mit weniger Risiken für die Gesundheit zu
erzielen.
b)
Gewichtsabnahme
Auch wird das
Heilfasten mit der vordergründigen Absicht der
Gewichtsabnahme durchgeführt. Dieses Ziel wird
unmittelbar während der Fastenzeit wirkungsvoll erreicht. Beim
gänzlichen Verzicht auf Kalorienzufuhr (Totalfasten bzw
Nulldiät) liegt der Gewichtsverlust für Frauen bei
380g und für Männer bei 450g pro Tag.[1]
Eine
Nachhaltigkeit des Gewichtsverlustes ist jedoch durch den sog.
Jojo-Effekt nicht gegeben: Durch die reduzierte Kalorienaufnahme sinkt
mit der Zeit der Energiebedarf des Körpers, welcher zur
Aufrechterhaltung der Körperfunktionen im Ruhezustand
benötigt wird (Grundumsatz). Einerseits ist das auf die
zurückgehende Muskelmasse zurückzuführen,
andererseits
stellt der Körper auf den sog. Hungerstoffwechsel
um. Wird
die Energiezufuhr nach
Beendigung des Fastens wieder erhöht, so sind die
zusätzlichen Kalorien überflüssig, falls
nicht gleichzeitig die körperliche Betätigung
zunimmt. Die überflüssigen Kalorien werden
schließlich in Fett umgewandelt und in Fettdepots eingelagert
- der Jojo-Effekt ist da.
c)
Hungerstoffwechsel und Eiweißabbau
Siehe Hauptartikel zu Hungerstoffwechsel
Anscheinend je
Standpunkt
als Fastenkritiker oder -Anhänger, werden gänzlich
unterschiedliche Angaben zu dem Verhältnis zw.
Eiweiß- und
Fettabbau gemacht. Tatsächlich bewegt sich der Substanzverlust
zu
Anfang wohl in vergleichbaren Größenordnungen, so
werden 160
g/d Fett- und 100 g/d Eiweißabbau genannt, nach 2-3 Wochen
geht
der Eiweißverlust jedenfalls auf ca. 20-25 g/d
zurück. Zu
erklären ist das durch die zunehmende Substituierung der
Glukose
durch die im Rahmen des Fettabbaus gebildeten Ketonkörper, die
schnell verfügbare Energie liefern. Dennoch führt der
nun
vermindert fortgesetzte Eiweißabbau zu einer fortschreitenden
Gesundheitsgefährdung, die bei einem Verlust von mehr als
30-40 %,
u. a. durch das Angreifen des Herzmuskels nach ca. 100 Tagen, zur
akuten Lebensgefahr führt. Weitere gesundheitliche
Nebenwirkungen
sind u. a. das Absinken der Alkalireserven mit der Folge einer
Übersäuerung (Hungerazidose), die paradoxerweise
kuriert
werden soll, ein allgemeiner Kräfteverfall,
Ohnmachtsanfälle,
die Verminderung der Hirnleistung bis hinzu
Bewusstseinsstörungen,
sowie Vitaminmangel und erhöhtes Infektionsrisiko.
2)
Spiritueller Nutzen
Allen
medizinischen Zweifeln zum Trotz, erfreut sich Heilfasten starker
Beliebtheit. Zu erklären ist dies durch das gestiegene
Gesundheitsbewusstsein, welches im Übereifer allzu oft zu
unkritischem und gutgläubigem Handeln verführt.
Alleine mit dem Tätigwerden stellt sich ein verbessertes
Wohlbefinden ein, das umso stärker empfunden wird, je
schädigender das vorausgehende eigene gesundheitliche
Fehlverhalten eingeschätzt wird. Beim Heilfasten spielt die
symbolische Buße für Essenssünden
eine zentrale Rolle, aber auch seelische Belastungen werden durch die
Zäsur zu kurieren versucht. Hinzu tritt die selektive
Wahrnehmung bei der Durchführung des Fastens, wonach die
angenehmen Empfindungen wie euphorische Gefühle
stärker gewichtet werden als die störenden wie
Körpergeruch oder Schwindel. Die optimistisch gestimmte
Durchführung des Heilfastens ist aber nicht zu
unterschätzen, denn Heilfasten kann eine positive
Änderung des Lebensstils und der
Ernährungsgewohnheiten auslösen.
Autor: Webmaster
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