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Long Term Capital Management (LTCM)

Long-Term Capital Management (LTCM) war ein von 1994 bis 2000 existierender Hedge-Fonds. Dieser erlangte zunächst durch außerordentlichen Erfolg aber insbesondere später durch einen die Finanzmärkte erschütternden Niedergang einige Bekanntheit auch außerhalb der Finanzwelt.

1. Gründung und Aufstieg des LTCM

Der Aufstieg des LTCM war bei seiner Gründung 1994 scheinbar vorprogrammiert. Verantwortlich hierfür war die kompetente und vertrauenserweckende Führungsriege um den Gründer John W. Meriwether, dem Ex-Vizechef von Salomon Brothers. Ihm schloss sich der Großteil eines loyalen, auf Fixed Income Arbitrage spezialisierten Teams an, das er bis 1991 bei Salomon äußerst erfolgreich geführt hatte. Als werbewirksames Aushängeschild konnten der ehemalige Harvard-Professor Eric Rosenfeld, der Vertreter des US-Notenbankchefs David W. Mullins, sowie Myron S. Scholes und Robert C. Merton, die später mit dem Nobelpreis geehrten Mitentwickler der Optionspreistheorie nach Black-Scholes, gewonnen werden. Infolge wurde die seinerzeit für einen Hedge Fonds gigantische Summe von 1,25 Mrd. USD bei Investoren eingesammelt, obwohl nur vage Angaben zur Fondsstrategie gemacht wurden. Zu den 80 Erstinvestoren von LTCM zählten nebst amerikanischen, japanischen und europäischen Großbanken vor allem auch viele staatliche Institutionen, wie die italienische Zentralbank oder der Pensionsfonds von Kuwait, aber auch produzierende Unternehmen, vermögende Privatleute und sogar amerikanische Universitäten.

Von Anfang an erfüllte LTCM alle in ihn gesteckten Erwartungen zum Aufspüren von Ineffizienzen auf Anleihemärkten. Nach Abzug von Tantiemen für die Fondsmanager blieb vom 1994 erzielten 28 % Gewinn 20 % für die Investoren übrig, 1995 waren es 59 % bzw. 43 % und 1996 57 % bzw. 41 %. Obwohl LTCMs Erfolg Nachahmer bei den prinzipiell altbekannten Strategien auf den Plan rief, so überragte LTCM aufgrund der geballten Expertise, seiner schieren Größe und günstigen Kreditkonditionen die Mitkonkurrenten bei weitem und „quetschte seine Nickel noch aus, wenn andere längst aufgegeben hatten.“ Die dürftige Informationspolitik gegenüber den Investoren – eine grobe Bilanz und vage Risikoaussagen mithilfe des Value-at-Risk – nahmen diese bereitwillig hin.

Das Geschäftsmodell hatte von vorne herein einen den Managern bekannten Haken. Durch effizienter werdende Finanzmärkte und Nachahmer mussten die ausgenutzten Preisanomalien zusehends verschwinden. Damit die satten Gewinne, die bezogen auf die Summe aus Eigen- und Fremdkapital stets nur ca. 2 % betrugen, nicht zurückgingen, boten sich zwei Optionen an: Die Erhöhung des Leverage oder die Aufnahme bzw. Ausweitung von anderen Strategien außerhalb der Bondarbitrage. LTCM entschied sich für beides. War der Faktor, mit dem das Fremdkapital das Eigenkapital überstieg, bereits von 25 im Jahr 1994 auf 28 im Jahr 1995 angestiegen, so wurde 1996 mit dem Faktor 30 das Risiko nochmals ausgeweitet. Der exzessive Einsatz von Fremdkapital ließ zudem das gesamte Investitionsvolumen auf derartige Größen anschwellen, dass LTCM zu den größten Marktakteuren weltweit zählte. Dabei stammten die meisten Kredite von den eigenen Anlegern, von denen die Banken als Abwickler der Handelsgeschäfte von LTCM nebst Zinsen nicht unbeträchtliche Provisionen einnahmen. Mit diesem finanziellen Beziehungsgeflecht und dem hohen Leverage war der Grundstein für den die Finanzwelt erschütternden Niedergang des LTCM-Fonds gelegt.

Vordergründig mangels attraktiver Arbitrage-Möglichkeiten auf den Anleihemärkten zahlte LTCM Ende 1997 2,7 Mrd. USD an seine Investoren gegen deren ausdrücklichen Willen aus. , womit deren Einlage nunmehr 4,7 Mrd. USD betrug. Das Kreditvolumen wurde jedoch beigehalten, wodurch sich der Leverage-Faktor Anfang 1998 wieder auf 28 erhöhte, nachdem dieser 1997 infolge der weniger fremdfinanzierten neuen Strategien auf 18 gefallen war. Immerhin senkte sich damit das absolute Verlustrisiko der nicht ausstiegsbereiten Eigenkapitalgeber, soweit denn ihnen ihr Risiko aufgrund des Leverage überhaupt bekannt war. Zuvor hatte LTCM nach wechselnden Erfolgen im Jahr 1997 immer noch beachtliche 25 % Gewinn vor und 17 % nach Abzug der Tantiemen erwirtschaftet. Verantwortlich für diesen relativen Gewinneinbruch war u. a. eine schiefgegangene Fusionsarbitrage-Strategie aufgrund einer fehlgeschlagenen Übernahme, auf die LTCM mit einem marktunüblich hohen Leverage gesetzt hatte. Erste Warnschüsse waren also abgegeben worden.

2. Strategie vom LTCM

Der LTCM-Fonds verfolgte vor allem eine marktneutrale Fixed Income Arbitrage-Strategie, die weltweit nach Arbitrage-Möglichkeiten im Anleihenhandel suchte. Diese auch Bondarbitrage genannte Strategie nutzte eine Reihe von Marktineffizienzen bei der Bewertung von Anleihen aus. Aus der Tatsache, dass LTCM auf die langfristige Bereinigung von Marktineffizienzen setzte, erklärt sich der Namensbestandteil „Long-Term“. Ein typisches Geschäft war der Leerverkauf einer über 30 Jahre laufenden US-Staatsanleihe und der Kauf einer über 29 Jahre laufenden, falls letztere trotz gleicher Nominalverzinsung mit einem kleinen Abschlag gehandelt wurde. Das kann vorkommen, da die frisch emittierten Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit bei Anlegern regelmäßig gefragter sind, als die ein Jahr zuvor emittierten, die nur noch 29 Jahre Restlaufzeit aufweisen. Nahm der Spread ungewöhnlich hohe Dimensionen an, so war LTCM mit der Gewissheit zur Stelle, dass die Kurse wieder konvergieren würden. Im gleichzeitigen Kauf- und Leerverkauf der jeweils gleich verzinsten Anleihen wurde das Marktrisiko der allgemeinen Zins- und damit einhergehenden Anleihenkursentwicklung ausgeschaltet. Da die Spreads aber sehr gering waren, wurden solche Geschäfte regelmäßig großzügig fremdfinan- ziert (Leverage ca. 30). Die Bondstrategien von LTCM waren insoweit immer auch Statistical Arbitrage-Strategien, wie nicht bloß offensichtliche Falschbewertungen ausgenutzt wurden, sondern die aus historischen Daten berechnete Wahrscheinlichkeit für die Auflösung der Marktineffizienz einbezogen wurde. LTCM versuchte sich von vorne herein auch auf anderen, weniger vertrauten Strategiefeldern, wie dem direktionalen Optionsscheinhandel, der Equity Market Neutral- Strategie oder der Merger Arbitrage. Diese anderen Strategien führten aber in den ersten Jahren ein Schattendasein, bevor ihre spätere Ausweitung nach dem Ausreizen der Bondarbitrage zu einem nicht vernachlässigbaren Faktor beim Niedergang des LTCM wurde.

3. Niedergang

Im Jahr 1998 kam es aufgrund folgender Ereignisse zu massiven und für die LTC-Manager unerwarteten Turbulenzen und Fehlbewertungen auf den Finanzmärkten:

- Im Mai spitze sich in Indonesien die seit der sog. Asienkrise 1997 schwellende Wirtschafts- krise dramatisch zu und führte dort zu gewalttätigen Unruhen und dem Rücktritt des Staats- präsidenten.

- Im Frühjahr kündigte die Investmentbank Goldman Sachs die Schließung ihrer Fixed-Income- Arbitrage-Abteilung und den großvolumigen Verkauf der entsprechenden Anleihen an.

- Am am17. August 1998 erklärte Russland als Folge von Staatsüberschuldung und Kapital- flucht den Staatsbankrott und verweigerte die Rückzahlung von Krediten ausländischer Investoren.

Die gemeinsame Folge der beiden länderbezogenen Krisen war eine weltweit  zunehmende Verunsicherung auf den Finanzmärkten, die auf den Anleihenmärkten durch das Handeln von Goldman Sachs zusätzlich verstärkt wurde. Das Handeln der Marktteilnehmer war nun von „Flucht in die Qualität“ bzw. „Flucht in die Liquidität“ bestimmt. Das bedeutete, dass vermeint- lich sicherere Anlagetitel und von diesen die liquideren gekauft wurden, während die risikorei- cher erscheinenden oder illiquidere gemieden wurden. Dies führte jedoch zu massiven Fehl- bewertungen, da in Krisenzeiten einerseits die Märkte „austrocknen“ und nur mit deutlichen Preisabschlägen verkauft werden kann, und anderseits solche fundamental nicht begründeten Preisabschläge bereitwillig hingenommen werden, um sich von Risikopositionen zu trennen.

Entsprechend der Ausweitung der Fehlbewertungen entwickelte sich angesichts der LTCM-Strategie, die auf die Abnahme der Fehlbewertungen setzte, das Geschäft zunehmend schlecht:[FN] Mai -6,7 %, Juni -10 %. Nach einem ausgeglichenem Juli (+/- 0%), zeichnete sich aufgrund der großzügigen Fremdfinanzierung (Leverage > 30) plötzlich der Bankrott ab, als im August der Wert des Fonds um 45 % sank. So war das Eigenkapital Ende August von 4,7 Mrd. USD auf nur noch 2,5 Mrd. USD seit Jahresanfang gesunken. Begleitet wurde der Niedergang von einem anfänglichen Festhalten des Hedge-Fonds an den Kernstrategien, die als unverwundbar galten, und der Suche nach Kapitalgebern,[Warren Buffet etc.] um den Investoren und Kreditgebern Sicherheiten angesichts der schrumpfenden Eigenkapitalbasis bieten zu können. Letzteres entpuppte sich in einem krisengeschüttelten Markt und spätestens nach dem verheerenden August-Ergebnis als unmöglich, zumal die bisherigen Investoren eher geneigt waren, ihre Anteile zu veräußern.[Haltefrist bis Jahresende?] Außerdem blieben, auch aufgrund der verzweifelten Investorensuche, die Schwierigkeiten bei LTCM den anderen Marktteilnehmern nicht verborgen, so dass diese auf die Liquidation von LTCM und deren Anlagen zu spekulieren begannen und so noch weiter die Preise drückten, selbst als sich die allgemeine Marktlage zu beruhigen begann.

Da ein Ende dieser Abwärtsspirale nicht absehbar war und der Bankrott unvermeidbar schien, [bis 21. Sept. fiel das Eigenkapital auf unter 1 Mrd.] wurde im September die US-Notenbank eingeschaltet, um eine Rettungsaktion zu initiieren, zumal LTCM selbst zum marktbeherr- schenden Thema wurde. Die Notenbank erklärte sich angesichts der schieren Fonds-Größe, den abzusehenden gigantischen Verlusten für Investoren und Kreditgeber bei einer etwaigen Liquidation, und den dann zu befürchtenden unkalkulierbaren Verwerfungen auf den Märkten hierzu bereit. Das Ergebnis war eine Kapitalzuführung i. H. v. 3,7 Mrd. USD durch 14 Großban- ken und die Einsetzung eines durch diese Banken gestellten Kontrollgremiums, das die LTCM- Geschäfte überwachen sollte. Als sich die Märkte wieder beruhigten schrieb LTCM 1999 wieder einen Gewinn und wurde ein Jahr später geschlossen, nachdem alle offenen Geschäfte geschlossen werden konnten und die Kapitalzuführung zurückbezahlt worden war.

4. Ursachen für den Niedergang

a) Finanzmathematische Defizite in der LTCM-Strategie

Bei der Analyse der Gründe für das Scheitern des LTCM bietet das finanzmathematische Modell des Value-at-Risk (VaR) einen geeigneten Ansatzpunkt, dessen sich auch LTCM im Rahmen des Risikomanagements bediente. In einer allgemeinen Definition steht VaR für den größtmöglichen Verlustbetrag, der sich in einem bestimmten Zeitraum aus Risiken einer Investition mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit ergeben kann. Offensichtlich wurde der VaR zu niedrig angesetzt und entsprechend ein zu hohes Risiko eingegangen. Hierfür spricht zunächst eine nicht einmal bis 1992 zurückreichende Datengrundlage zur Ermittlung des VaR, weshalb eine zu niedrige Volatilität ins Modell einfloss. Somit wurde die Möglichkeit für extreme Marktbewegungen wie beim Aktiencrash von 1987 von vorne herein ausgeblendet. Hinzu trat die Vernachlässigung von Teilen des Portfolios bei der Berechnung des VaR. Diese beruhte vermutlich auf der Überschätzung der Diversifikation: Ausgehend von der Idee, dass auf verschiedene Anlageklassen weltweit verteilte Investitionen wenig korrelieren, wurde die synchrone Entwicklung von scheinbar unabhängigen Märkten (die gerade in Krisenzeiten wie auch in 1998 auftritt) unterschätzt und der VaR nur für offensichtlich homogene Anlageklassen ermittelt. Darüber hinaus hätte unter der Prämisse der Eigenkapital-bezogenen Risikobeibehaltung der für das Gesamtkapital berechnete VaR sinken müssen, als teilweise das Eigenkapital Ende 1997 ausbezahlt wurde. Da sich ohne eine entsprechende Fremdkapital- Reduzierung die Fremdkapitalquote und somit der Leverage-Effekt erhöhten, stieg der VaR aber im Verhältnis zum Eigenkapital.

b) Gründe aus Sicht der Behavioural Finance-Forschung

Geht man der Frage nach, wieso das LTC-Management ein inkonsequentes Risikomanage- ment betrieb, so liefert die Behavioural Finance-Forschung aufschlussreiche Antworten. Demnach folgten die LTCM-Verantwortlichen den für Finanzmarktakteure typischen irrationalen, psychologisch begründeten Verhaltensmustern: Ihr Verhalten lässt sich vor allem aus ihrem übertriebenem Optimismus heraus erklären, der auf der vorangegangenen „Glückssträhne“ beruhte. Auch spielten selbstverständlich eine Selbstüberschätzung insbesondere auf den nicht vertrauten Gebieten außerhalb der Bondarbitrage und das verallgemeinernde Auffassen des bisherigen Erfolges als eine Art Gesetzmäßigkeit hinein. Schließlich kam während der Zuspitzung der Krise die kognitive Dissonanz hinzu, als es darum ging, Fehler einzugestehen. Als besonders uneinsichtig zeigte sich der Teilhaber und einer der „Star Traders“ Lawrence Hilibrand, der bereits bei Salomon geleitet von „seiner festen Überzeugung von der eigenen Unfehlbarkeit“ einen unrealisierten Verlust von 400 Millionen USD verursacht hatte, welcher dank geduldiger und nicht ganz durchblickender Vorgesetzter in bewährter Manier ausgestan- den werden konnte. Auch nach Rettung des LTCM stellten sich dessen Manager als „brillante Ultrarationalisten“ hin und beklagten eine Verschwörung gegen sie.

Autor: Dipl.-Bw. (FH) MZ

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